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Mietforderungen als Masseverbindlichkeit gem. § 55 InsO; Abgrenzung zur Insolvenzeröffnung

Bei einem Mietvertrag über einen unbeweglichen Gegenstand ist in der Insolvenz des Mieters die Mietforderung für den Monat, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wird, in dem Umfang Masseverbindlichkeit, der dem ab der Verfahrenseröffnung verbleibenden Teil des Monats entspricht.

(BGH 11.03.2021 – IX ZR 152/20)


Anmerkung

Der BGH bestätigte in seiner Nichtzulassungsentscheidung seine ständige Rechtsprechung, dass die Miete für den Monat, in dem das Verfahren eröffnet wird, anteilig aufzuteilen ist und für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Masseverbindlichkeit darstellt.


Entscheidungsgründe

Zur Begründung führt das Gericht u.a. aus:

“In der Insolvenz des Mieters besteht ein Mietverhältnis über unbewegliche Gegenstände gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. Ansprüche des Vermieters aus einem solchen Mietverhältnis sind Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 InsO), wenn - wie hier - ihre Erfüllung für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 - IX ZR 9/12, WM 2013, 138 Rn. 10; vom 9. Oktober 2014 - IX ZR 69/14, WM 2014, 2187 Rn. 8; vom 29. Januar 2015 - IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 Rn. 33). Ansprüche für die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der Vermieter dagegen gemäß § 108 Abs. 3 InsO nur als Insolvenzgläubiger geltend machen (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012, aaO; vom 29. Januar 2015, aaO).

Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, gelten diese Grundsätze auch für Mietforderungen für den Monat, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Sie sind Masseverbindlichkeiten, soweit die Erfüllung des Mietvertrags zur Insolvenzmasse nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss, und demgemäß zeitanteilig aufzuteilen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2015, aaO Rn. 17, 32 f). Ob die Verbindlichkeit aus einem gegenseitigen Vertrag gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO eine Masseverbindlichkeit darstellt, hängt nicht davon ab, wann diese Verbindlichkeit insolvenzrechtlich entstanden ist. Entscheidend für Mietforderungen ist vielmehr, inwieweit diese Verbindlichkeit die Gegenleistung für den Teil einer Leistung aus einem gegenseitigen Vertrag darstellt, dessen Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss. Ist die Leistung teilbar, ist die Gegenforderung nur in einem der Leistung an die Insolvenzmasse entsprechenden Teil Masseverbindlichkeit. Dies soll gewährleisten, dass derjenige, der seine vollwertige Leistung weiterhin zur Masse erbringen und sie der Masse damit zugute kommen lassen muss, die dafür zu entrichtende volle Gegenleistung erhalten und nicht auf eine Insolvenzforderung beschränkt sein soll (BGH, Urteil vom 3. April 2003 - IX ZR 163/02, ZIP 2003, 854, 855). Die Literatur meint ebenfalls, dass die Miete für den Monat, in dem das Verfahren eröffnet wird, anteilig aufzuteilen ist und für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Masseverbindlichkeit darstellt (Jaeger/Jacoby, InsO, § 108 Rn. 147; Tintelnot in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2019, § 108 Rn. 74; MünchKomm-InsO/Hefermehl, 4. Aufl., § 55 Rn. 150; MünchKomm-InsO/Hoffmann, 4. Aufl., § 108 Rn. 101; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 15. Aufl., § 55 Rn. 53; Uhlenbruck/D. Wegener, InsO, 15. Aufl., § 108 Rn. 30, 43; Flöther/Wehner in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 4. Aufl., § 108 Rn. 20; Graf-Schlicker/Breitenbücher, InsO, 5. Aufl., § 108 Rn. 29; Cymutta in Kölner Kommentar zur InsO, § 108 Rn. 21 ff; Geißler, ZInsO 2012, 1206, 1208 f; vgl. bereits Jaeger/Henckel, InsO, § 55 Rn. 48).

Die von der Beschwerde angeführten abweichenden Literaturstimmen (FK-InsO/B. Wegener, 9. Aufl., § 108 Rn. 38; HmbKomm-InsO/Pohlmann-Weide, 8. Aufl., § 108 Rn. 19; Ahrens in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 4. Aufl., § 38 Rn. 40; Rosenmüller, ZInsO 2012, 1110) begründen keinen Klärungsbedarf. Sie sind vereinzelt geblieben und setzen sich nicht mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Einordnung von Ansprüchen aus gegenseitigen Verträgen als Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO auseinander.”


Resümee

Die Entscheidung festigt die bereits seit Jahren geübte Praxis der Handhabung von Ansprüchen aus Miet- und Pachtverhältnissen als Masseverbindlichkeit für die Zeit ab Insolvenzeröffnung.

21.06.2021, 14:04
Kategorien: Veröffentlichungen