Insolvenzverwaltung

Freigabe der selbständigen Tätigkeit eines Arztes

BGH (Urteil vom 21.02.2019) zur Freigabe einer selbständigen Tätigkeit eines Arztes im Insolvenzverfahren

Eine interessante Entscheidung des BGH (IX ZR 246/17) mal wieder, in der er von seiner vormaligen Rechtsprechung teilweise Abstand nimmt - Leitsatz:

  1. Ein Zahlungsdiensterahmenvertrag (Girovertrag) stellt einen Geschäftsbesorgungsvertrag dar, der durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlischt.
  2. Die Freigabe von Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit erfasst Forderungen, die vor Wirksamwerden der Freigabeerklärung entstanden sind, auch dann nicht, wenn sie auf die bisherige selbständige Tätigkeit des Schuldners zurückgehen.
  3. Eine Honorarforderung eines Zahnarztes gegen einen Privatpatienten gehört zum Vermögen des Schuldners, sobald die Leistung erbracht ist und ein Gebührentatbestand erfüllt ist.
  4. Eine Honorarforderung eines Vertragszahnarztes gegen die Kassenzahnärztliche Vereinigung gehört mit Abschluss des Quartals, in dem der Vertragszahnarzt vertragszahnärztliche Leistungen erbracht hat, und der Vorlage der entsprechenden Abrechnung bei der Kassenzahnärztlichen Vereinigung zum Vermögen des Schuldners. Für die Zuordnung von Abschlagszahlungen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung kommt es auf den Zeitpunkt ihrer Zahlung an (Anschluss an BSG, Urt vom 10. Dezember 2014 - B 6 KA 45/13 R, BSGE 118, 30 Rn. 34; teilweise Aufgabe von BGH, Urt vom 11. Mai 2006 - IX ZR 247/03, BGHZ 167, 363 Rn. 7).

Die Freigabe einer selbständigen Tätigkeit stellt eine (von vielen) Möglichkeiten dar, dem Schuldner auch in der Insolvenz seine Existenzgrundlage zu erhalten.

Der Insolvenzverwalter ist gemäß § 35 Abs. 1 S. 1 der Insolvenzordnung berechtigt, einem Schuldner (bspw. eines Arztes), der eine selbständige Tätigkeit ausübt oder deren Ausübung beabsichtigt, gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können.

Wird diese Freigabe vom Insolvenzverwalter erklärt, so erhält der selbständig tätige Insolvenzschuldner die Verwaltungs- und Verfügungsmacht hinsichtlich seiner „selbständigen Tätigkeit“ auch trotz fortdauernden Insolvenzverfahren zurück.

Da die Tragweite und der Umfang der Freigabe für den Schuldner oft nicht zu überblicken ist, empfiehlt sich für diesen, hierzu eine eingehende rechtliche Beratung.

Wir betreuen in unserer täglichen Praxis sowohl Insolvenzverfahren, in denen die selbständige Tätigkeit freigegeben wurde, als auch Insolvenzschuldner, die sich vor der Herausforderung sehen, ihre Selbständigkeit auch im Insolvenzverfahren fortführen zu wollen. Für Fragen hierzu stehen wir gerne zur Verfügung.

09.05.2019, 00:00
Kategorien: Veröffentlichungen